Originaltitel: Milano calibro 9
Herstellungsland: Italien
Erscheinungsjahr: 1972
Regie: Fernando Di Leo
Inhalt:
Wieder einmal siedelte Fernando Di Leo eine filmische Kreation dort an, wohin der Normal-Sterbliche nie auch nur ein Füßchen setzen würde. Zieht man die unterste Schublade unseres sozialen Zusammenlebens, liegt die Welt vor uns, welche Fernando Di Leo erneut sehr heroisch und mit großem Pathos inszeniert. Milano Kaliber 9 als Klassiker zu bezeichnen, grenzt schon fast an eine Freveltat, bei diesem Werk sollte man die doppelte Sehgeschwindigkeit an den Tag legen und seine Erwartungen sehr hoch schrauben, der Streifen wird die spielend übertreffen. Wenn Mario Adorf wütet, weil er sich hintergangen fühlt, die vermeintlich Schuldigen in die Luft sprengt und dazu Luis Enriquez Bacalov eine bis ins Mark gehende, melancholische Klaviermelodie spielt, dann ist es Zeit, die eigene Anschauung vom italienischen Gangsterfilm zu definieren.
Review:
MILANO KALIBER 9 ist ein gute, wenn auch meiner Meinung nach durchschnittlicher italienischer Kriminalfilm von 1972. Ich will nicht sagen, das der Film keinen Wert hat, nur bin ich seitens Umberto Lenzi und seinen Tiraden schon etwas zu sehr verwöhnt. Basierend auf einem hartgesottenen Roman von Giorgio Scarbanenco ist die Handlung im Grunde eine selbst erklärte Interpretation der Kriminalfilme von Jean-Pierre Melville, in der der grob aussehende Betrüger Ugo Piaza aus dem Gefängnis entlassen wird, aber der Verdacht besteht, das er die 300.000 Lire des Mafiabosses "Der Amerikaner" entwendet und versteckt haben soll. tatsächlich hat er das Geld nicht und sieht sich mit allerlei Typen konfrontiert, die wissen wollen, wo das Geld ist. Ob es die Polizei oder Schergen des Amerikaners sind, spielt dabei keine Rolle.
Der Film bewegt sich knallhart als auch stilvoll und mit einem ordentlichen Tempo durch den Bildschirm. Tatsächlich setzte MILANO KALIBER 9 reichliche Maßstäbe, für mehrere nachfolgende italienische Kriminalfilme. Zu den weiteren Pluspunkten gehören die Angebote an interessanten Charakteren, einer fesselnden Geschichte und einer hervorragenden Umsetzung. Interessant zu wissen ist, das es sich bei MILANO KALIBER 9 um den ersten Teil einer Milieu-.Trilogie handelt, zu der sich noch DER MAFIA-BOSS - SIE TÖTEN WIE SCHAKALE und DER TEUFEL FÜHRT REGIE gesellen. Letztere beiden Filme stehen schon auf dem Stundenplan bei mir.
Für Leute die sich gerade erst für das Genres des Euro Crime-Films interessieren, ist MILANO KALIBER 9 ein guter Einstieg. Mit einer respektablen Besetzung, einem eingängigen italienischen Soundtrack der Prog Rock-Band Osanna und ein paar ordentlich umgesetzten Wendungen in der Handlung am Ende ist es ein recht guter Film und einer der bekannteren Beiträge des Genres. Auch wenn ich andere Werke des Genres eher bevorzuge, hat der Film definitiv seine Momente, die man nicht mehr vergisst. Selbst Quentin Tarantino widmete in DEATH PROOF eine Hommage an MILANO NKALIBER 9, indem er eine Tanzszene mit Vanessa Ferlito in DEATH PROOF integrierte, die sich an dem Tanz von Barbara Bouchet orientierte.
Fazit des Ganzen: ich würde behaupten, das es keinen besseren Einstieg in die gewalttätige Welt der italienischen Noir-Krimi-Thrillers gibt wie MILANO KALIBER 9. Klar, es gibt noch andere Vertreter die ebenso stark sind, aber mit diesem Film macht man garantiert nichts falsch. Fernando Di Leo fand hier seinen Ton und Rhythmus als auch die Anerkennung seines Publikums, das ihm nacheiferte. Der Erfolg des Filmes beschränkt sich nicht nur darauf: Der Film ist sowohl spektakulär als auch im Bewusstsein des Italiens seiner Zeit und der moralischen Entwicklung der Welt und spielt auf allen Ebenen. Wie immer an dieser Stelle gilt: Wer den Film noch nicht sein Eigen nennt, sollte dies zügig nach holen.