Stephen Bessac fotografiert seit zehn Jahren die Regale nicht mehr existierender Anatomiemuseen und archiviert Hunderte unglaublicher Exemplare der Teratologie und Kriminalanthropologie, die nur wenigen Besuchern gezeigt wurden. Illustriert mit mehr als 200 Farbfotos, die im Musée Testut-Latarjet, der Dupuytren-Sammlung und den medizinischen Museen Siriraj und Congdon in Thailand aufgenommen wurden, ist „Staring at Death The Medical Atrocities“ ein wahres Zeugnis der beunruhigenden Schönheit dreibeiniger Monster, Harlekinbabys und anenzephalischer Kreaturen, die für die Ewigkeit in Formaldehyd ertrunken sind.
Wir leben in einer Welt , in der man die Augen vor der Schönheit des Bizarren verschließt und die Leute nur zu gerne die Augen davor verschließen, was für sie fremd ist. Erfahrungsgemäß kann ich sagen, das eine gewisse "Angst" dabei mitschwingt, wenn man sich auf unbekanntem Terrain bewegt und man nicht weiß, was einen erwartet. Kann ich durchaus verstehen, ich bin in vielen Punkten auch nicht anders und bin froh, wenn ich mir nichts aneignen muss, wenn ich mir nicht sicher bin, ob es mir gut tut oder gar relevant für mich ist. Jedoch habe ich ein großes Faible dafür, mich mit Dingen zu beschäftigen, die für den sogenannten "Normalo" befremdlich, widerwärtig, ethisch nicht vertretbar oder sonstiges wirken, weil ich darin eine Welt gefunden habe, die mir etwas glückseliges gibt. Es ist zum Teil eine Art Voyeurismus die mich voran treibt um nach derlei Dingen zu suchen, einerseits besteht auch ein großes Interesse dafür, etwas kennen zu lernen, was man im Alltag nicht so oft zu Gesicht bekommt.
Aus dem Blickwinkel zu meiner Person kann ich sagen, das mich beispielsweise der Tod schon immer in irgendeiner Form interessiert hat. Seien es Horrorfilme, Serienkiller, Folter im Mittelalter, diverse True Crime-Fälle, Anatomie, Pathologie, die Reichweite ist groß. Als ich das erste mal mit dem Tod konfrontiert wurde, war ich in einem sehr jungen Alter von vielleicht 8-10 Jahren, als ich bei meinem Großvater saß und er sich die Nachrichten anschaute. Bilder von toten Menschen, insbesondere toten Kindern flatterten über den Bildschirm, die während des Krieges starben und mir war zu dem Zeitpunkt klar, dass es sich um unschöne Bilder handelt, weil die Menschen nicht mehr am Leben teilnahmen. Ehrlich gesagt, war dies ein sehr prägendes Ereignis, weil mich die Frage beschäftigte, was Menschen fühlen, wenn sie sterben, sofern sie es mitbekommen, wie es danach weiter geht, ob es danach weiter geht.
Bei einer Reportage die ich auch in einem recht jungen Alter wahrgenommen habe, wurde das Thema Krankheiten thematisiert. Menschen die in jungen Jahren sehr schnell "alterten", es handelte sich um die Erbkrankheit der Progerie oder Aufnahmen von Babys, die am Harlekin-Syndrom erkrankt sind faszinierten mich. Das war dann der Knackpunkt, das ich mich immer wieder mal nach solchen Reportagen umsah. Da gab es dann im Teenageralter eine Sendung die man nur nach 23 Uhr ausstrahlte, in denen Menschen vorgestellt wurden, die schwere genetische Erkrankungen vorzuweisen hatten, wie zum Beispiel Dede Koswara, auch bekannt als der Baum-Mann, oder Menschen mit schwersten Hauterkrankungen, als auch Menschen die an Hypertrichose leiden. Solche Sachen haben mich schon immer fasziniert und werden es auch weiterhin tun, ethisch hin oder her, sie lassen sich nicht aus der Welt verleugnen, weil sie existent sind. Jetzt, heute, morgen, für immer.
Oftmals kursiert die Frage ob es einen Gott gibt. Andererseits stellen sich die Leute die Frage, wie "Gott" es zulassen kann, dass es Kriege, Zerstörung, Mord, Krankheit usw. gibt. Die Antwort darauf ist einfach: Es gibt keinen Gott, Punkt! Und wenn doch, scheint er einen großen Hass auf die Menschen zu haben, denn sonst wäre die Welt ein ganz anderer Ort. Beschränken wir uns dementsprechend darauf, das die Menschen was brauchen woran sie festhalten können, trotz das die Realität anders aus sieht: Bitter! Ich persönlich bin nicht gläubig und halte auch nicht viel von dieser religiösen Gehirnwäscherei, weil Religionen nur dazu dienen, die Leute unten zu halten, quasi Marionetten zu erschaffen, die dumm genug sind für andere die Drecksarbeit zu machen. Kurz gesagt: Eine Farce ist noch der sanfteste Begriff um Religionen zu beschreiben.
Stephen Bessac ist so ein Interessierter, der sich nur zu gerne in Anatomiemuseen begibt und dort Archivaufnahmen tätigt um sie quasi für die Nachwelt zu archivieren. Seit mehreren Jahren treibt ihn das Interesse der Teratologie(Die Wissenschaft die Lehre von Fehlbildungen der normalen physiologischen Entwicklung, und meist auf die Entwicklung des Embryos bezogen, auf die Embryogenese.) und Kriminalanthropologie voran, deren Ausstellungen nur sehr wenigen Augen vorbehalten sind. In Laufe der Zeit hat er mehrere Ausstellungen und Museen besuchen können und einiges an Material zusammen bekommen. Und dieses Material wurde seitens Nico Claux, dem Gründer und Besitzer von Serial Pleasures in Kooperation mit Stepfen Bessac in einem Buch zusammen getragen, was sich auf photographische Weise mit den Thema auseinandersetzt.
Ich schäme mich nicht, frei zu sagen, dass ich an derartigen "Freakshows" eine andersartige Form der Schönheit sehe und es für mich und meine Sinne wie eine Droge wirkt und ein positives Gefühl hervor ruft. So schade finde ich es dann auch, dass ebensolche Zentren wie das Testut-Latarjet-Museum oder das Dupuytren Museum geschlossen wurden. Was war aber der Hintergrund für die Schließung? Der Öffentlichkeit sagte man, das mangelndes Interesse der Menschen und fehlende Gelder der Grund sein. Nun, ein Schelm wer böses denkt. Denn rückblickend auf die gesellschaftliche Entwicklung, in der es der neueste Schrei ist, "woke" zu sein, denke ich eher, das andere Gründe dafür verantwortlich sind, solche Stätten zu schließen: Ethik und geistige Verweichlichung sind die Zeichen der Zeit, eine Entfremdung der Realität, in der man im besten Fall noch dafür sorgen würde, das man fromm und gläubig wird und diversen Phantomen nach rennt, um am Ende des Lebens in den Himmel zu kommen.
Das Testut-Latarjet-Museum in Lyon, Frankreich, wurde 1854 gegründet und 1992 nach zwei Anatomen der Fakultät, Jean- Léo Testut und André Latarjet, benannt. Es trägt nicht umsonst den Spitznamen "Musem of Horrors", denn die ausgestellten Sammlung beinhaltet Exponate aus der Embryologie, Kriminalanthropologie, der allgemeinen Anatomie, Teratologie, Osteologie und der Medizin. Aufgeteilt ist es in acht Bereiche: Vergleichende Anatomie, Allgemeine Anatomie, Kriminelle Anthropologie, Ägyptologie und Konservierungstechniken, Embryologie und Teratologie, Osteologie, Paläoanthropologie und Parasitologie und Tropenkrankheiten. Zusammengetragen wurde die Sammlung seit 1789 von vielen Ärzten, die sich von der örtlichen Universität trennten. So handelte es sich um das einzigste Museum dieser Art, was auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Leider wurde es 2022 geschlossen und bis heute ist unklar, ob es jemals wieder seine Pforten öffnet.
Das zweite Museum, Musée Dupuytren, wurde 1835 von Mathieu Orfila als Museum für pathologische Anatomie der medizinischen Fakultät der Universität Paris im Auftrag von Baron Guillaume Dupuytren, Anatom und gefeierter Professor für Chirurgie, gegründet. Während des zweiten Weltkrieges im Jahre 1937, ordnete Gustave Roussy die Schließung des Museums an, woraufhin viele Gegenstände verloren gingen oder zerstört wurden. Doch 1967 erweckte Jacques Delarue das Museum mit einer Generalsanierung wieder zum Leben. Was dieses Museum vom Testut-Latarjet-Museum unterscheidet, ist, das viele der Exponate aus Wachs hergestellt sind, aber nicht minder gruselig oder bizarr erscheinen. Zu den Hauptattraktionen gehören Wachsgebilde die Krankheiten und Missbildungen veranschaulichten. Doch leider ist auch dieses Museum geschlossen worden.
Abschließend gibt es in dem Buch noch das Congdon Anatomical Museum und Siriraj Museum in Bangkok, Thailand zu bestaunen. Beide Museen sind bis heute noch geöffnet und eins davon wurde auch schon von Untergrund-Filmer Rene Wiesner in seinem Film MONDO SIAM veranschaulicht. Das Siriraj Museum hat auch den Spitznamen "Museum of Death" und ist eins der bekannteren Museen zu dem Thema. So ist es auch für die Öffentlichkeit zugänglich und insbesondere für Studenten und Mediziner eine wertvolle Ressource. Es besteht aus sieben kleinen medizinischen Museen: Siriraj Bimuksthan Museum, Ellis Pathological Museum, Congdon Anatomical Museum, Songkran Niyomsan Forensic Medicine Museum, Parasitological Museum, Touch Museum in Honor of Queen Mother Sirikit und Sood Sangvichien Prehistoric Museum Laboratory, was verschiedenste Krankheiten, Deformierungen, Anatomie, Vorgeschichtliches, Parasitologie, Forensik und vieles mehr veranschaulicht. Für True Crime-Fans dürfte das Songkran Niyomsan Museum für forensische Medizin höchstinteressant sein, weil es die mumifizierten Überreste des Serienmörders Si Uey Sae-Ung enthielt.
Das Congdon’s Anatomical Museum zeigt Organe der Spender, die ihren Körper für die Sektion von Medizinstudenten für ihr Fach „Makroanatomie“ gespendet haben. Konservierte Föten, die bei Embryo-Probanden verwendet wurden, wurden zusammen mit Proben von Geburtsfehlern ausgestellt. Das Museum besteht aus 2 Zonen, darunter dem Raum für allgemeine Anatomie und dem Skelettraum. Dieses Museum dürfte für Leute interessant sein, denen der Zugang der Musée Dupuytren- und Testut-Latarjet-Museen verwehrt bleibt.
Das Buch selber ist 92 Seiten lang und besteht weitgehendst aus Fotos der benannten Museen und ist als Softcover-Buch erhältlich. Als kleines, aber feines Extra befindet sich auf der ersten Seite eine kleine Handgekritzel in Form eines in ein Glas eingelegten Embryos samt Autogramm des Autors. In der Starring at Death-Reihe sind zudem noch Bücher zu den Themen Totenköpfe und Leichenschauhäuser enthalten, die im Laufe der zeit ebenso Einzug in meine Sammlung halten werden. Für mich als Freund von solchen obskuren Werken ist es eine große Freude, das es noch Leute gibt, die sich mit derlei Thematiken befassen und sie uns "Fans" zugänglich machen. So sind die Bücher nicht nur für Leute wie uns interessant, sondern sollten auch angehende Mediziner, Studenten usw. ansprechen.